Mark und hundert
von
Herbert Henck
Als ich in Mannheim etwa sechzehn Jahre alt war, klingelte es einmal an unserer Wohnungstür. Ich öffnete, und ein ausländischer jüngerer Mann von leicht
dunkler Hautfarbe stand davor, der mir mit vielen Worten, halb auf deutsch, halb in einer Sprache, die ich nicht kannte, den Kauf eines Teppichs anbot. Ich zögerte und wollte Einzelheiten wissen.
Der Mann erging sich nun erneut in so langen wie schnellen Ausführungen, die ich wie das Vorausgehende nur gelegentlich verstand. Doch bezeichnete er den
Kauf eines solchen Teppichs, wie er ihn anbot, als sehr günstig. Was denn der Teppich kosten solle, wollte ich wissen, worauf der Mann etwas von „vier Mark achtzig“ sagte, was ich aber vielleicht falsch
interpretierte, denn mir kam dies sehr billig vor, und selbst ich hätte diesen Betrag aufbringen können. Doch ich hatte ihn vielleicht falsch verstanden.
So fragte ich zurück, und weitere Debatten folgten. Dabei stellte sich heraus, dass er eigentlich von „vierundachtzig Mark“ gesprochen hatte. Und
wenig später ergab sich, dass der Preis gar „vierhundertachtzig Mark“ betragen sollte, die der Teppich, den ich aber nirgends sah, kosten solle.
Der Preis stieg somit schnell auf das Hundertfache der anfangs genannten Summe; nur die zwei Zahlen vier und achtzig blieben immer dieselben. So
erklärte ich, dass ich kein Geld habe, um mir eine solche Ausgabe zu leisten. Das nun musste der junge Mann einsehen, und der Fall war geklärt. Der Teppichverkäufer zog weiter und versuchte anderswo sein Glück,
denn die schwer verständliche Aussprache der damals allein gültigen Mark, von und oder hundert passte den Preis offensichtlich dem Vermögen eines geplanten Käufers an, eine Anpassung, die mir ein wesentlicher Teil der Geschäftspraxis zu sein schien.
vor allem Anfang Juli 2015
Erste Eingabe ins Internet: Juli 2015
Letzte Änderung: Mittwoch, 4. Mai 2016
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